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Ichzumir. Du zu dir. Wir.

Warum Selbstverbindung kein Egoismus ist


Manche Menschen glauben, Selbstverbindung hätte etwas Egoistisches an sich.

Als würde „Ich zu mir“ bedeuten, sich nur mehr um sich selbst zu drehen oder sich von anderen abzuwenden. In Wirklichkeit beschreibt diese Haltung etwas viel Näheres und Reiferes: den bewussten Kontakt mit mir selbst – mit meinen Gefühlen, Bedürfnissen, Grenzen und Sehnsüchten – und die Fähigkeit, darauf zu antworten. Und genau das ist die Basis für Beziehungen, die wirklich tragen.

Wenn ich spüre, was in mir vorgeht – was ich brauche, was mich bewegt und was mich überfordert – kann ich viel bewusster in Kontakt gehen. Dann muss ich nichts festhalten, erzwingen oder verstecken. Nähe entsteht nicht daraus, dass wir gleich fühlen oder denken, sondern daraus, dass jeder bei sich bleiben kann und trotzdem in Verbindung ist.


Das ist eine andere Art von Beziehung: zwei Erwachsene, die freiwillig miteinander sind. Niemand ist automatisch für den anderen verantwortlich. Jeder trägt zuerst für sich selbst Sorge – und genau daraus entsteht ein Miteinander, das frei, klar und wohlwollend ist.

Und wenn es nicht mehr wohlwollend ist, kann ich wieder in die Verantwortung gehen und mich fragen: Warum bin ich in dieser Beziehung? Was brauche ich? Und wie möchte ich hier weitergehen?

Das befreit dich und es befreit mich. Und es gibt mir meine Selbstwirksamkeit zurück, weil ich – egal was du tust oder nicht tust – entscheiden kann, wie ich darauf antworten möchte.


Erwachsen sein heißt: Niemand kommt.

Wir sind erwachsen. Und Erwachsensein bedeutet, dass niemand automatisch kommt, um sich um das zu kümmern, was in mir auftaucht. Das kann manchmal weh tun, weil ein Teil in uns sich noch danach sehnt, dass jemand anderer übernimmt, uns hält oder uns zeigt, wohin es geht.

Aber die Wahrheit ist: Ich bin verantwortlich für meine Gefühle, meine Bedürfnisse und meine Grenzen.


Erwachsen sein heißt aber dennoch nicht, alles allein tragen zu müssen. Es heißt vielmehr anzuerkennen, dass das, was in mir auftaucht, zu mir gehört – und dass ich als Erste darauf antworten kann.

Ich kann erst für meine Gefühle einstehen, wenn ich sie wahrnehme. Ich kann erst Grenzen setzen, wenn ich sie spüre. Ich kann erst sagen, was ich brauche, wenn ich bei mir bin.

Für mich heißt „ich zu mir“, dass ich bei mir anfange. Und „du zu dir“ heißt, dass du das Gleiche für dich tun darfst. Wenn wir beide das leben, müssen wir einander nichts abnehmen, nichts beweisen und uns schon gar nichts vorwerfen. Denn wir gehen zuerst selbst in die Verantwortung für uns und unsere Gefühle – und genau dadurch wird Begegnung leichter.

Paar umarmt sich – Beziehung und Selbstverbindung

Wenn jeder für die eigene Innenwelt Verantwortung übernimmt, entsteht überhaupt erst der Raum, sich wirklich zu begegnen – ohne dass der eine erwartet, dass der andere das trägt, was in ihm selbst entstanden ist. Erst aus dieser Haltung heraus kann ein Miteinander wachsen, das klar, liebevoll und erwachsen ist.


Wenn jeder bei sich ist – wie sich Beziehung verändert

Es ist eine spannende Frage, ob es weniger Kampf gäbe, wenn jeder Mensch gut bei sich wäre. Ich glaube tatsächlich: ja. Nicht, weil wir dann alle derselben Meinung wären, sondern weil Unterschiedlichkeit nicht mehr als Bedrohung empfunden würde.

Wenn ich mit mir verbunden bin, kann ich hören, dass du etwas anders siehst, ohne mich angegriffen zu fühlen. Ich kann Missverständnisse klären, ohne in alte Muster zu rutschen. Und ich kann auch einmal sagen: „Wir sehen das verschieden“, ohne dass daraus ein Drama entsteht oder jemand gewinnen muss.

Unterschiedlichkeit bleibt – aber sie führt nicht mehr automatisch zu einem Kampf. Sie wird zu einem natürlichen Teil des Miteinanders, den wir gemeinsam halten können. Manchmal sogar zu einem Geschenk: einer Einladung, meine Perspektive zu erweitern oder meine Haltung zu klären.

Beziehung wird dadurch leichter, ehrlicher und menschlicher. Wir müssen einander nicht mehr retten, nicht mehr verändern und nicht mehr für unseren inneren Zustand verantwortlich machen.


Warum Kampf entsteht

Wenn ich aber nicht gut bei mir bin und nicht wahrnehme, was in mir passiert, reagiere ich manchmal heftig auf etwas im Außen – einfach, weil es etwas in mir berührt (triggert), das ich noch nicht gesehen habe. Und wenn ich nicht wahrnehme, was dieser Moment in mir auslöst, reagiere ich oft automatisch: ich ziehe mich zurück, gehe in Verteidigung oder schieße nach vorne – nicht, weil der andere etwas falsch gemacht hat, sondern weil etwas in mir angesprungen ist.

Doch sobald ich wahrnehme, was da in mir aufsteht, verändert sich viel. Ich kann innehalten und spüren: „Okay, da bewegt sich gerade etwas in mir. Das gehört zu mir.“ …und ich kann dir sagen, welche Gefühle gerade in mir anspringen.

Ich kann dir mitteilen, was in mir vorgeht, und gleichzeitig gut für mich sorgen, indem ich meine Gefühle wahrnehme, ihnen Raum gebe und mich um mich kümmere.

Und genau in diesem Moment wird es leichter, bevor es im Außen zu einem Kampf wird.


Warum Selbstverbindung Nähe ermöglicht

Selbstverbindung heißt nicht, dass ich mich nicht mehr um andere kümmere. Es bedeutet nur, dass ich zuerst mit mir in gutem Kontakt sein muss, damit ich überhaupt für jemanden da sein kann. Wenn ich mich kenne – meine Grenzen, meine Bedürfnisse, meine Empfindlichkeiten – kann ich dir zuhören, ohne überflutet zu werden. Ich kann Nein sagen, ohne hart zu werden.

Jemand, von dem ich sehr viel gelernt habe, sagte einmal zu mir: Sag Nein – aber mit einem warmen Herzen.

Und genau das ist es: ein Nein, das nicht verletzt, sondern klar ist. Ich kann deine Gefühle begleiten, ohne sie zu meinen zu machen. Und an Tagen, an denen meine Kraft begrenzt ist, kann ich das anerkennen und ehrlich sagen – nicht nur für mich, sondern auch für uns. Denn diese Ehrlichkeit schafft Nähe.


Ich zu mir. Du zu dir. Wir.

„Ich zu mir“ ist kein Rückzug aus der Welt. Es ist ein Ankommen in mir selbst.

„Du zu dir“ bedeutet, dass du deinen eigenen inneren Raum hast – so wie ich meinen habe.

Und aus diesen beiden Haltungen entsteht ein „Wir“, das nicht aus Erwartungen, Projektionen oder Bedürftigkeit besteht, sondern aus Klarheit, Ruhe, Selbstverantwortung und echter Verbundenheit.


Hier ist Freiheit. Kein Zwang, kein Müssen, sondern echte Freiwilligkeit. Und genau deshalb begegnet man sich gern: weil es leicht ist, weil es sicher ist und weil niemand das Gefühl hat, sich verstellen zu müssen.

In diesem Raum kann ich bei mir sein und trotzdem für dich da sein.Und du kannst bei dir bleiben und trotzdem für mich da sein.So entsteht zwischen uns etwas, das sich einfach gut anfühlt, weil es aus Wahl entsteht und nicht aus Erwartung.


Ich für mich. Du für dich. Wir.

 
 
 

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